Dienstag, 21. Mai 2013

Alltag!


Ich habe mir hier längst einen Alltag geschaffen. Für mich ist das Exotische, Abenteuerliche Normalität geworden. Morgens gehe ich in die Schule. Ich öffne das blaue Tor: „Antoniaaa, Antoniaaaa!“. Nach dem morgendlichen „Begrüßungsritual“, Zähneputzen. Anschließend Unterricht, mal Mathe, mal Französisch, mal Sport. Pause, die Kinder Essen, das Kollegium hält seinen Kaffeeklatsch, leider ohne Kaffee. Danach zwei weitere Stunden, wahrscheinlich Gemeinschaftskunde. Gegen zwölf essen die Kinder und auch ich gehe nach Hause. Zu Mittag Bohnen, Reis oder Ingnam. Wenn die größte Hitze vorbei ist gehe ich los und unterrichte mit einer Freundin einen Englisch-Kurs, eine  integrative Musikgruppe bei ENVOL und erledige andere Ding die anfallen. Wenn noch Zeit ist gehe ich vor dem Abendessen noch eine Cola trinken in einer der zahllosen Bars.
            Erst als meine Freundin Sophia oder meine Familie zu Besuch kamen wurden mir einige Besonderheiten wieder klar. Ich bin mir sicher Sophia hat einen Großteil der Ziegen Lomés, Kpalimés und Umgebung fotografiert. Mein Bruder jeder Art von überfülltem Transportmittel, ob Moto-Moto (darunter versteht sich ein Moto mit einem Moto beladen), ein Fahrrad-Moto (ein Moto mit mindestens zwanzig Fahrrädern), oder der schwankende Lastwagen mit nur drei Reifen. Auch als ich begann für mein Studium eine WG-Zimmer zu suchen, war eine meiner ersten Fragen. „Gibt es den auch einen Kühlschrank?“.



            Keine Frage, das Leben hier ist anders! Anders nicht immer nur im Sinne von lustig und aufregend, auch im Sinne von traurig u

nd deprimierend. Aber ist gibt auch so viele Gemeinsamkeiten. Togo ist keine andere Welt, lediglich ein Land ein bisschen näher am Äquator als Deutschland. Ich habe mich hier eingelebt und kann sagen, Togo ist Alltag geworden.

            Eine „Projekt“ das mir zur Zeit besonders am Herzen liegt ist der Sexualkundeunterricht mit meiner Klasse. Es ist unglaublich lustig, interessant und herausfordernd einem Haufen pubertärer Jugendlicher, fast ohne Sprache, die Sonderheiten der Sexualität näher zu bringen. Ich erinnere mich noch an den ersten Sexualkundeunterricht in der sechsten Klasse und die Jugendlichen hier machen keinen Unterschied. „Kakaii“ „HIHIHIHI“. 

Zu Beginn haben wir den Unterschied zwischen Mann und Frau behandelt, jetzt sind wir schon bei den Intimzonen des menschlichen Körpers. Nicht nur für die Kinder ist das Thema eine Herausforderung. Hier wird das Thema Sexualität teilweise viel offener, teilweise aber auch um einiges verklemmter aufgefasst. Einerseits ist die weibliche Brust keine Intimzone, andererseits erzählen die Eltern teilweise ihren Kindern sie würden sterben bei Geschlechtsverkehr. Gespräche mit einigen Eltern haben außerdem gezeigt, das Kinder mit Behinderung, im dörflichen, sowie im städtischen Umfeld viel eher von sexuellen Belästigungen oder gar Gewalt betroffen sind als Andere. Dieses Thema ist auch schon bei den jüngeren Kindern brisant geworden. Es ist schwierig den Unterschied zwischen frühkindlichen Entdeckungsdrang und Anzeichen für sexuelle Gewalt auszumachen. Ein Problem sind auch die undurchsichtlichen Familienstrukturen. Bei manchen Großfamilien ist es schwer auszumachen welches Familienmitglied gerade anwesend ist und wer für welches Kind verantwortlich ist. Um auch die Eltern mit ins Boot zu ziehen organisieren ich jetzt einen Elternabend zum Thema in Zusammenarbeit mit dem „Familien-Plan-Zentrum“ des Krankenhauses.

Es gibt also immer noch einiges zu tun und nachdem ich mich ausgiebig in einer Klinik in Lomé erholt habe, starte ich motiviert in die letzten Monate.