Ich habe mir hier
längst einen Alltag geschaffen. Für mich ist das Exotische, Abenteuerliche
Normalität geworden. Morgens gehe ich in die Schule. Ich öffne das blaue Tor:
„Antoniaaa, Antoniaaaa!“. Nach dem morgendlichen „Begrüßungsritual“,
Zähneputzen. Anschließend Unterricht, mal Mathe, mal Französisch, mal Sport.
Pause, die Kinder Essen, das Kollegium hält seinen Kaffeeklatsch, leider ohne Kaffee.
Danach zwei weitere Stunden, wahrscheinlich Gemeinschaftskunde. Gegen zwölf
essen die Kinder und auch ich gehe nach Hause. Zu Mittag Bohnen, Reis oder
Ingnam. Wenn die größte Hitze vorbei ist gehe ich los und unterrichte mit einer
Freundin einen Englisch-Kurs, eine
integrative Musikgruppe bei ENVOL und erledige andere Ding die anfallen.
Wenn noch Zeit ist gehe ich vor dem Abendessen noch eine Cola trinken in einer
der zahllosen Bars.
Erst
als meine Freundin Sophia oder meine Familie zu Besuch kamen wurden mir einige
Besonderheiten wieder klar. Ich bin mir sicher Sophia hat einen Großteil der
Ziegen Lomés, Kpalimés und Umgebung fotografiert. Mein Bruder jeder Art von
überfülltem Transportmittel, ob Moto-Moto (darunter versteht sich ein Moto mit
einem Moto beladen), ein Fahrrad-Moto (ein Moto mit mindestens zwanzig
Fahrrädern), oder der schwankende Lastwagen mit nur drei Reifen. Auch als ich
begann für mein Studium eine WG-Zimmer zu suchen, war eine meiner ersten
Fragen. „Gibt es den auch einen Kühlschrank?“.
Keine
Frage, das Leben hier ist anders! Anders nicht immer nur im Sinne von lustig
und aufregend, auch im Sinne von traurig u
nd deprimierend. Aber ist gibt auch so viele Gemeinsamkeiten. Togo ist keine andere Welt, lediglich ein Land ein bisschen näher am Äquator als Deutschland. Ich habe mich hier eingelebt und kann sagen, Togo ist Alltag geworden.
Eine
„Projekt“ das mir zur Zeit besonders am Herzen liegt ist der
Sexualkundeunterricht mit meiner Klasse. Es ist unglaublich lustig, interessant
und herausfordernd einem Haufen pubertärer Jugendlicher, fast ohne Sprache, die
Sonderheiten der Sexualität näher zu bringen. Ich erinnere mich noch an den
ersten Sexualkundeunterricht in der sechsten Klasse und die Jugendlichen hier
machen keinen Unterschied. „Kakaii“ „HIHIHIHI“.
Zu Beginn haben wir den
Unterschied zwischen Mann und Frau behandelt, jetzt sind wir schon bei den
Intimzonen des menschlichen Körpers. Nicht nur für die Kinder ist das Thema
eine Herausforderung. Hier wird das Thema Sexualität teilweise viel offener,
teilweise aber auch um einiges verklemmter aufgefasst. Einerseits ist die
weibliche Brust keine Intimzone, andererseits erzählen die Eltern teilweise
ihren Kindern sie würden sterben bei Geschlechtsverkehr. Gespräche mit einigen
Eltern haben außerdem gezeigt, das Kinder mit Behinderung, im dörflichen, sowie
im städtischen Umfeld viel eher von sexuellen Belästigungen oder gar Gewalt
betroffen sind als Andere. Dieses Thema ist auch schon bei den jüngeren Kindern
brisant geworden. Es ist schwierig den Unterschied zwischen frühkindlichen
Entdeckungsdrang und Anzeichen für sexuelle Gewalt auszumachen. Ein Problem
sind auch die undurchsichtlichen Familienstrukturen. Bei manchen Großfamilien
ist es schwer auszumachen welches Familienmitglied gerade anwesend ist und wer
für welches Kind verantwortlich ist. Um auch die Eltern mit ins Boot zu ziehen
organisieren ich jetzt einen Elternabend zum Thema in Zusammenarbeit mit dem
„Familien-Plan-Zentrum“ des Krankenhauses.
Es gibt also immer noch einiges zu tun und
nachdem ich mich ausgiebig in einer Klinik in Lomé erholt habe, starte ich
motiviert in die letzten Monate.